Manchmal gehen die Netzwerke des Lebens seltsame Wege. Und wenn sie sich kreuzen, entsteht oft Gutes daraus. So geschehen bei unserem August-Lunch im Adlisberg. Vor mehr als 40 Jahren hatten sich die Wege von Gioconda Segantini, der Enkelin des grossen Malers, und die unseres Mitglieds Dieter Brecheis zum ersten Mal gekreuzt. Im letzten Sommer sind sich beide zufällig im Bergell erneut begegnet. Ergebnis: Bei unserem August-Lunch hatten mehr als 20 Kunstsinnige und Kulturinteressierte beiderlei Geschlechts – unter ihnen auch mein Gast, der bekannte Filmkritiker Alex Oberholzer – die einmalige Gelegenheit, für unter 50 Franken ein handsigniertes Kunstwerk von Segantini mit nach Hause zu nehmen. Denn an diesem Anlass stellte uns Gioconda Segantini die von ihr verfasste Biografie über ihren Grossvater vor: „Kunst und Liebe besiegen die Zeit“. Aus mehr als 5.000 ererbten Dokumenten und Briefen hat sie ein Bild Segantinis gezeichnet, das in einigen Punkten doch ganz anders aussieht als jenes, welches allgemein verbreitet ist. Die quirlig- energiegeladene Gioconda ging dabei mit soviel Verve zu Werke, dass sich einige fragten, ob sie denn tatsächlich die Enkelin oder nicht doch die Urenkelin sei. Ihnen sei versichert: Gioconda ist junge 78 Jahre, und weil ihr Vater Gottardo erst in höherem Alter ans Kinderkriegen dachte, geht die Altersrechnung auf. Übrigens war Gottardo selbst Maler. Inzwischen werden seine Bilder im zwei- und dreistelligen Tausender-Bereich verkauft. Lieber sind dem provisionsbewussten Galeristen aber wahrscheinlich dann doch die Bilder Giovannis, für die inzwischen Millionen geboten werden. Dabei war Giovanni Segantini seit seinem 7. Lebensjahr ein sans papiers: Als österreichischer Staatsbürger geboren kam er früh in die Obhut seiner italienischen Stiefschwester, die davon alles andere als begeistert war und den Entzug dieser Staatsbürgerschaft beantragte, um Giovanni ins Heim geben zu können. Die Österreicher gaben dem Antrag statt, die Italiener aber keine neue Staatsbürgerschaft für Giovanni her – ein Grund mehr, warum er mit seiner geliebten „Bice“ – Luigia – Bugatti unverheiratet, aber in grosser Liebe und Zuneigung zueinander bis an sein frühes Ende lebte. Bice war übrigens die Schwester des Mailänder Möbeldesigners Carlo Bugatti, mit dem Segantini befreundet war. Und sie war die Tante von Ettore Bugatti, dem Mann der superschnellen Sportwagen. Deshalb waren wir alle leicht verwundert, dass Gioconda einen dicken Wälzer mitgebracht hatte, mit dem eine andere Ikone schneller und superteurer Autos ihr 100-jähriges Bestehen feierte: Bentley. Der Grund dafür lag darin, dass Gioconda neben Ausstellungen, Führungen im Segantini-Museum und der Chiesa Bianca in Maloja sowie dem Verfassen ihres Buchs auch noch Zeit gefunden hatte, zusammen mit der Parfumeurin Beate Nagel einen Duft aus rein pflanzlichen Rohstoffen zu kreieren: Luce di Segantini gibt es nur in Kleinstauflagen von 50 bis 60 Flakons im Jahr zu entsprechend hohen Preisen. Und da boten die Macher des Bentley-Jubiläumsbuch den entsprechenden Rahmen für die Präsentation. Unser Rahmen war zwar doch etwas näher am Median des Volkseinkommens, konnte sich aber ebenfalls sehen – und schmecken! – lassen: Markus Segmüller und sein Team sorgten für Gaumenfreuden aller Art und ein Umfeld, das auch einem Segantini gefallen hätte. Seine Enkelin hatte sich jedenfalls sehr wohl gefühlt mit uns – und wir uns mit ihr.